Mittwoch, 13. April 2011

Mit seinem warmen Gesicht am kalten Hintern des anderen kleben

In Peking ist das Nationalmuseum am Platz des Himmlischen Frieden nach Plänen eines deutschen Architekten erneuert und erweitert worden. Zur seiner Eröffnung wird eine Sonderaustellung zur "Kunst der deutschen Aufklärung" gezeigt, die vom deutschen Aussenministerium geplant, gefördert und mit 10 Millionen Euro allein bezahlt wurde. Sozusagen ein Geschenk der deutschen Regierung an China und das chinesische Volk.

Ein Danaergeschenk, das die Gedanken von Humanität, Aufklärung, Freiheit und Demokratie in einer scheinbar harmlosen Kunstschau verbirgt und so in die chinesische Diktatur hineinschmuggelt, ist die Ausstellung dennoch nicht. Dafür ist die Veranstaltung zu bieder, wie auch die Zeit in einem ausführlichen Artikel feststellt. Hu Jintao wird sich in der Ausstellung vielleicht ja sogar selbst wiederfinden, wenn er sich das Porträt von Friedrich dem Großen anschaut: "Ich bin auch nur der erste Diener meines Staates, der für die Entwicklung seines Landes hart arbeitet", wird er dann denken. Nur dass der Alte Fritz mit Voltaire Briefe ausgetauscht und ihn nicht ins Gefängnis geworfen hat. Aber Voltaire hat auch nicht Demokratie und Abdankung des Königs gefordert.

Trotzdem hat sich die deutsche Seite sicher mehr von der Ausstellung erhofft, zumindest einen offenen Dialog über die Inhalte der Ausstellung. Wie schon früher im Verhältnis zur Sowjetunion und dem Ostblock lautet das Zauberwort "Wandel durch Annäherung". China hat nun aber durch sein Verhalten gezeigt, dass die Annäherung ausschliesslich zu den eigenen Bedingungen stattfinden soll und keinen Wandel beinhalten wird. Zumindest keinen, der nicht von der Pekinger Regierung auch gewollt wäre.

Kurz vor der Reise von Aussenminister Westerwelle zur Museumseröffnung nach Peking wurde dem deutschen Sinologen und Journalisten Tilman Spengler ein Visum verweigert, weil er kein "Freund des chinesischen Volkes" sei. Spengler hatte eine Laudatio auf den Dissidenten und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo gehalten und damit den Unmut der chinesischen Regierung erregt. Annähernd zeitgleich zum Abflug der deutschen Delegation aus Bejing wurde dann auch noch der international bekannte Künstler und Regime-Kritiker Ai Weiwei verhaftet. Die Botschaft der chinesischen Regierung ist klar und unmissverständlich: Wir nehmen eure Geschenke gerne an. Aber glaubt ja nicht, dass ihr deswegen von uns irgendein Entgegenkommen erwarten dürft. Wir tun in unserem Land was immer wir wollen und für richtig halten und ihr könnt nichts daran ändern, sondern müsst bei uns nach unseren Regeln spielen. Die deutsche Seite fühlt sich nun düpiert und vorgeführt. Das sollte sie auch, denn das war wahrscheinlich genau die Absicht der chinesischen Seite, die dahinter steckt.

"Das Huhn schlachten, um den Affen zu erschrecken" ist ein altes chinesisches Sprichwort, das sich bei Mao Zedong einer großen Beliebtheit erfreute. Spengler und Ai Weiwei sind die Hühner, an sich ohne jede eigene größere Bedeutung. Aber dem deutschen Affen musste einfach mal gezeigt werden, was passiert, wenn er allzu übermütig dem Herrn auf der Nase herumtanzen will. China zeigt uns die kalte Schulter und wir kommen trotzdem immer wieder angeschlichen, machen uns noch kleiner und bieten unsere Dienste noch wohlfeiler an. In China spricht man anstatt von der "kalten Schulter" vom "kalten Hintern". Dürfen wir uns wirklich wundern, dass der sich an unserem warmen Gesicht eisig anfühlt? Und dürfen wir hoffen, ihn irgendwann einmal mit unseren Annäherungsversuchen anwärmen zu können? Tilman Spengler geht davon aus, wenn er sich in dem oben verlinkten Interview gegen einen Abbruch der Ausstellung ausspricht. Aber auch bei uns gibt es schöne Sprichwörter. Und eines davon lautet "Only Nixon could go to China". Aber davon an anderer Stelle mehr.

1 Kommentar:

  1. Ich bin gespannt, wie sich Ihr Blog entwickeln wird, Herr Ebertshäuser. Bisher scheint mir, dass ein umfangreicher Meinungsaustausch zwischen Bloggern - zu China-Themen - nur auf Englisch möglich sein kann, aber vielleicht lerne ich ja hier das Gegenteil.
    Mit freundlichen Grüßen
    JR

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