Donnerstag, 14. April 2011

Wollen die Deutschen, dass wir den Feudalismus wieder einführen?

In chinesischen Blogs und Online-Foren lassen sich die ersten Reaktionen auf die Ausstellung "Kunst der Aufklärung" im chinesischen Nationalmuseum in Beijing finden. Leider sind diese nicht sehr schmeichelhaft und zeigen, dass die Ausstellung nicht so ankommt, wie sich das die deutschen Kuratoren wohl gedacht und erhofft haben. Die relativ geringe Zahl der Beiträge verdeutlicht aber auch, dass die Aufregung um die Ausstellung hierzulande in China eher unter der Rubrik "wenn in Deutschland ein Sack Kartoffeln um fällt" gehandelt wird.

Hauptkritikpunkt ist die Auswahl der Exponate. Einige Chinesen haben den Eindruck, die Deutschen hätten wohl die hintersten Reihen ihrer Magazine geplündert, weil man davon ausgehe, dass die Chinesen ohnehin keine Ahnung von westlicher Kunst hätten und mit irgendwelchen Werken aus der dritten Reihe abgespeist werden könnten. Bekannte Namen, berühmte Werke? (Fast) Fehlanzeige. Hier mal ein Caspar David Friedrich, da mal ein Watteau. Aber sonst? Gediegenes Mittelmaß. Diese chinesischen Besucher sind sauer und fühlen sich verschaukelt: Jahrelang wird die Ausstellung vorbereitet, zur feierlichen Wiedereröffnung des neu gestalteten Museums soll sie den Glanz deutscher Hochkultur beisteuern und dann das?

Ich teile nun nicht die Meinung dieser chinesischen Kritiker, die Deutschen wollten mit einer bewusst zweitklassigen Auswahl an Exponaten ihre Geringschätzung gegenüber China ausdrücken. Aber offensichtlich ist hier doch etwas ganz entschieden schief gelaufen in der Verständigung zwischen uns und den Chinesen. Ich vermute, die Ausstellungsmacher hatten vor allen Dingen ihre Botschaft im Sinn, als sie sich an Auswahl und Zusammenstellung der Exponate machten: Was kann das Leben in Deutschland zur Zeit der Aufklärung am besten verdeutlichen und anschaulich machen? Die künstlerische Qualität (die ohnehin nur schwer messbar ist) und der Bekanntheitsgrad der Werke spielten dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Solide deutsche Museumspädagogik also, die in Deutschland vielleicht auch ihre Berechtigung hat. Hier hat man die großen und berühmten Werke schon hundert Mal gesehen, kennt sie in- und auswendig und interessiert sich dementsprechend auch für kleinere Details und Zusammenhänge. In China ist der Nachholbedarf aber noch groß. Viele Menschen hatten noch nie Gelegenheit, die repräsentativen Werke der Epoche (oder das, was man dafür halten mag) genauer in Augenschein zu nehmen. Wenn diese chinesischen Kunstliebhaber "Kunst der Aufklärung" hören, wollen sie zunächst einmal die absoluten Kracher sehen und nicht ein gut gemeintes Gespinst von Möbeln, Kleidern und Bildern, das zeigen soll, wie man in der Epoche gelebt hat. Hinzu kommt, dass viele Chinesen die gut patriotische Ansicht vertreten, zur Eröffnung eines der bedeutendsten Museen des Landes, gelegen am wichtigsten Platz und symbolischen Zentrum Chinas, im Herzen der Hauptstadt, hätten die Deutschen dem Gastgeber ruhig mit einer höher karätigen Ausstellung etwas mehr Ehre antun können. Statt dessen fuchteln die Deutschen mal wieder mit dem moralisch erhobenen Zeigefinger vor dem Gesicht der Chinesen herum, schlecht verhüllt nur durch die schönen Künste. Gut gemeint ist eben noch nicht gut gemacht und auch nicht gut durchdacht.

In den Webforen stellen die chinesischen Kritiker aber auch ein paar inhaltlich interessante und berechtigte Fragen. Der "erzieherische" Charakter der Ausstellung ist bei den Leuten durchaus angekommen. Leider falten sie nicht fromm die Hände, spitzen die Ohren und lauschen der Lektion deutscher Aufklärung, sondern fragen rotzfrech zurück: Was wollt ihr Deutschen uns sagen, wenn ihr uns Gemälde zeigt mit idyllischen Familienszenen aus europäischen Herrscherhäusern? Dass wieder den Feudalismus einführen sollten? In wie fern trägt es zu unserer Aufklärung bei, uns Porträts von Mätressen irgendwelcher Potentaten anzuschauen? Und was hat Caspar David Friedrich mit Aufklärung zu tun, wo der Romantik doch ein gewisses gegen-aufklärerisches Element innewohnt?

Vielleicht wäre eine Ausstellung über die Kunst des deutschen Biedermeier besser gewesen und hätte mit einem lächelnden Augenzwinkern über die Schwächen der Deutschen und aller übrigen Untertanen, die es sich im goldenen Käfig der Bevormundung durch die Obrigkeit bequem machen, erfolgreicher sein können. Ich denke, die Chinesen könnten sich für den guten alten Spitzweg durchaus erwärmen. "Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben"! Aber das wäre ja unseren hehren Selbstansprüchen nicht gerecht geworden.

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